Verfluchte Liebe
Eine Bühnenkomposition
Autor: Tatjana Moskwina, Julia KunzeBesetzung: Damen 1 / Herren 2
Dauer: 120–150 Min.
Cantus Empfehlung: Für Erwachsene und Jugendliche ab etwa 14 Jahren spielbar.
Eine Schauspielerin und ein Schriftsteller, beide berühmt, beide verheiratet, lernen sich kennen und lieben. Sie lässt sich scheiden, er nicht. Nach ein paar Jahren wird er nach Sibirien verbannt, weil Stalin seine Werke nicht gefallen. Diese Fernbeziehung unter Extrembedingungen im Sowjetalltag der Stalinzeit bietet einen sehr persönlichen Blick auf einen in Deutschland wenig bekannten Teil der Theatergeschichte.
Besetzungsliste
SIE: Angelina Stepanowa. Rollenalter zu Beginn des Stücks 23. Schöne, schlanke, begabte Schauspielerin am Stanislawski-Theater, mit einem Regisseur verheiratet. Liebt Erdman auch über viele Jahre der Verbannung hinweg, bemüht sich aufopferungsvoll ihm zu helfen und besucht ihn in Sibirien. Beruflich geht es dabei steil aufwärts, sie wird zur sowjetischen Theaterlegende. Bricht den Briefwechsel nach sieben Jahren ab.
ER: Nikolai Erdman. Rollenalter zu Beginn des Stücks 28. Scharfsinniger und wortgewandter Schriftsteller deutscher Abstammung mit Neigung zu Spott und Parodie. War dreimal verheiratet, jedes Mal mit einer Tänzerin. Nachdem ihm verboten wird, fürs Theater zu arbeiten, schreibt er schlechte Drehbücher ohne jegliche Motivation. Liebt Angelina, will aber seine Frau nicht verlassen. Leidet sehr darunter, dass er sich beruflich nicht seinem Talent gemäß entfalten darf.
Kommentator: Rollenalter nicht angegeben. Gibt Hintergrundinformationen, leitet zum nächsten Thema über, übernimmt bei Bedarf die Rolle des Dialogpartners.
Ausführliche Synopsis
Ouvertüre Einstimmung mit Gedicht und zeitlicher Einordnung
Krivoarbatski pereulok Er und sie unterhalten sich auf dem Heimweg über Kunst, Parodie und Spießertum. Er zitiert aus seinen Werken. Beide sind verheiratet. Sie küssen sich und verabreden sich für morgen zum Pferderennen.
Beim Pferderennen Er und sie reden über Pferde und das Leben
In Charkow. Im Hotel. Morgens. Beide lesen einen Auszug aus seinem neuen Stück „Selbstmord“ und unterhalten sich darüber, welcher Regisseur es wohl aufführen wird. Aber Stalin verbietet es, die Proben werden eingestellt. Sie lässt sich scheiden und zieht zu einer Kollegin.
In Moskau. In der Wohnung von Jelena Jelina. Er ist verzweifelt über die Beschränkungen seiner Arbeitsmöglichkeiten. Sie versucht ihm durch ihre Kontakte zu helfen. Der Kommentator liest einige kabarettistische Fabeln von Erdman vor, die möglicherweise der Grund für seine Verhaftung waren. Sie wendet sich um Hilfe an Jenukidse.
In der Lubjanka. Im Büro von Jenukidse. Jenukidse erlaubt Stepanova, Erdman in Moskau kurz zu sehen und ihn später in Sibirien zu besuchen, wohin er verbannt werden soll.
In der Lubjanka. Gespräch im Beisein eines Wachmanns. Sie richtet ihm Grüße und Geschenke von Bekannten aus. Ihre Briefe werden nun an seine Frau geschickt. Sie verspricht, täglich nach Sibirien zu schreiben.
1933. Erdmann unterwegs nach Jenissijsk – Stepanowa in Moskau. Er reist die letzte Etappe allein. Sie schickt ihm ein Päckchen.
Jenissejsk – Moskau. Sie berichtet über ihre Arbeit bei Rundfunklesungen und über ihre neue Rolle am Theater. Es fällt ihr schwer, in sich die dazu nötige Fröhlichkeit zu finden. Daher widmet sie ihre Arbeit ihm. Er schildert sein Alltagsleben und schreibt an einem neuen Stück. Es gibt kein elektrisches Licht. Sie schickt ihm eine Lampe mit Batterien. Sie leidet darunter, nicht seine Liebste zu sein. Ihn quält, dass er sich künstlerisch nicht entfalten kann.
Sylvester Beide berichten von ihrem Jahreswechsel. Sie will, dass er sie für den Sommer nach Sibirien einlädt. Die Lampe ist eingetroffen. Sie berichtet von ihrer Rolle am Theater. Er schreibt seltener, weil sein Konto gesperrt wurde und er nie mehr für Theater arbeiten darf. Sie ist traurig über sein Schweigen. Sie berichtet über die Premierenvorbereitungen und die Premiere. Er möchte, dass sie ihm Alkohol schickt. Wegen Mangel an Pferden und zugefrorenem Fluss bekommt er einige Monate keine Post geliefert. Sie berichtet von einer Theateraufführung, die sie besucht hat. Er weist darauf hin, wie anstrengend eine Reise zu ihm wäre, sie will im Sommer trotzdem kommen.
Moskau Rückblende: Einige Jahre zuvor hatte sie ihm berichtet, dass sie schwanger war, und ihm freigestellt, ob sie das Kind austragen solle. Er wollte in der gegenwärtigen angespannten Lebenslage kein Kind. Dafür schickte er ihr Nachrichten und Blumen ins Krankenhaus. Ende der Rückblende. Sie bereitet sich auf die Reise nach Sibirien vor.
Treffen in Jenissejsk Wiedersehen für zehn Tage.
Die Rückfahrt Sie berichtet über ihre Rückreise nach Moskau, wobei sie viel lieber wieder nach Sibirien zurückkehren würde.
Jenissejsk – Moskau Sie erreicht über Beziehungen, dass er Jenissejsk verlassen kann. Er lässt sich in Tomsk nieder.
Tomsk – Moskau Er lebt sich in Tomsk ein. Sie schreibt noch eine Weile, dann bricht sie den Kontakt ab.
Moskau 1957 Erst 20 Jahre später sehen sich die beiden wieder. Er schlägt sich so durch, sie ist eine Theaterdiva, verwitwet und hat zwei erwachsene Söhne. Sie will nicht über die Vergangenheit reden. Sie schenkt ihm Geld. Zu seiner Beerdigung kommt sie nicht, als er arm und vergessen stirbt. Sie wird als lebende Theaterlegende 95 Jahre alt.
Pressestimmen
„Diese Liebesgeschichte dauerte sieben Jahre. Angelina Stepanowa, eine zierliche Schönheit, die Dutzenden von Männern den Kopf verdrehte, war verheiratet. Auch Nikolai Erdman war verheiratet. Dann wurde er, einer der berühmtesten Theaterschriftsteller des Landes, eines Tages verhaftet und in die Verbannung nach Sibirien geschickt. Stepanowa besuchte ihren Liebsten und wandte übermenschliche Anstrengungen auf, um ihm zu helfen (…) Schon in den Achtziger Jahren (…) war ein Buch mit Erdmans Briefen an einen Freund erschienen. Darin kam der Satz vor: ‚Diese verrückte Frau, die ich überhaupt nicht brauchen kann, will mich unbedingt in Jenissejsk besuchen’, wo Erdman sich in Verbannung befand, ‚und aus mir einen Dekabristen machen!’ In einer Anmerkung stand, hier ginge es um Stepanowa. Angelina Jossifowna, damals schon eine betagte Frau, las das Buch und geriet in stille Wut. Sie sagte (…): ‚Wie unprofessionell die Herausgeber arbeiten! Wie hätte ich es denn anstellen sollen, Ende Dezember 1933 zu ihm zu fahren? Für den Februar war an unserem Theater schließlich die Premiere von Jegor Bulytschow angesetzt, bei dem ich mitspielte. Und Nemirowitsch-Dantschenko hat niemals einen Schauspieler von den Proben freigestellt! Es ist völlig offensichtlich, dass es hier nicht um mich geht, sondern um Erdmans Ehefrau!’
Sie war tief betrübt über diese Anmerkung zu Erdmans Brief. Sie sagte mir: ‚Steigen Sie auf einen Hocker und holen Sie den alten Koffer vom Schrank!’ Ich fand den Koffer und darin eine Tüte mit 74 Briefen von Erdman! Ich erstarrte und sagte: ‚Angelina Jossifowna, das muss veröffentlicht werden!’ Sie antwortete: ‚Das wäre nur interessant, wenn auch meine Briefe an Erdman erhalten geblieben wären. Aber er hat ja nie was aufgehoben…’
Aber ich bat sie, im Zentralen Staatsarchiv für Literatur und Kunst anzurufen. Das tat sie auch. Ihr wurde mitgeteilt, der Nachlass Erdmans sei nur sehr klein, daher bestehe wenig Hoffnung, dass die Briefe noch da seien. Aber nach zwanzig Minuten wurde sie zurückgerufen und erfuhr, dass Erdmans Nachlass hauptsächlich aus ihren Briefen bestand: Diese waren das Einzige, was er sein Leben lang bei jedem Umzug in eine neue Stadt mitgenommen hatte!“
Nikolai Gerassimow
„Angelina Stepanowa und Nikolai Erdman haben sich über 300 Briefe geschrieben – diese gehören zu den dramatischsten und gleichzeitig lyrischsten Zeugnissen jener für unsere Kultur und Geschichte so tragischen Zeit, als das allmächtige KGB und Genosse Stalin selbst über das Schicksal selbst von berühmten Künstlern bestimmten. (…) ‚Angelina Stepanowa hat nie verheimlicht, dass sie Nikolai Erdman in jenen Jahren sehr geliebt hat. Darüber schreibt sie sehr offen. Wegen ihm hatte sie ihren Mann verlassen. Dazu muss ich bemerken, dass Erdman damals verheiratet war und seine Frau nie verlassen hat’, kommentiert Vitali Wulf“
(Quelle: Komsomolskaya prawda, 29.03.2008)