Theater / Drama

Wie ich berühmt werden wollte

Autor: Jelena Issajewa, Julia Kunze
Besetzung: Damen 4 / Herren 2
Dauer: abendfüllend
UA: Moskau: Teatr.doc, Tomsk:Theater für junge Zuschauer, Kaliningrad: Musiktheater
Die Schülerin Lena möchte berühmt werden, aber wie? Nach Misserfolgen in anderen Gebieten nimmt sie an einem Schreibkurs teil.
Stoff liefern ihr neben eigenen Erinnerungen und gegenwärtigen Konflikten auch die Erzählungen ihrer Mutter und der alten Nachbarin. Drei Frauen – drei Generationen – drei Geschichten über die Liebe. Ihre Aufsätze kreisen um die Grundthemen des Lebens, Träume, Liebe, Verlust, Wahrheit. Teils lustig, teils tragisch, aber immer bewegend und spannend bis zum Schluss. Durch die große Bandbreite an Themen und dargestellten Personen ruft das Stück viel Resonanz hervor, lädt zum Eintauchen ein und ermöglicht erstaunliche (Wieder-)Erkenntnisse über sich selbst und andere Menschen.

Bühnenbild

Asketische Ausstattung, nur die wirklich benötigten Gegenstände: Ein Sofa, eine Tür in einem Türrahmen, ein Tisch und 6 Stühle

Besetzungsliste

LENA – Die Hauptperson und Ich-Erzählerin. Rollenalter meist 10 – 16, sie spielt sich selbst aber auch in Episoden aus der früheren Kindheit und gibt gelegentlich Einblicke in ihr späteres Leben als Erwachsene.
Sie beobachtet sehr neugierig alles um sich herum, stellt die unerwartetsten Fragen und bekommt darauf ebenso unerwartete Antworten. Dabei lernt sie sich selbst und ihre Mitmenschen besser kennen und erringt einige Siege gegen ihre persönlichen Schwächen.

MAMA – Die Mutter von Lena, Rollenalter um die 40. Sie ist ruhig und liest gern, beruflich schreibt sie Drehbücher für technische Filme. Sie begleitet ihre Tochter liebevoll auf deren Entdeckungsreise, durchlebt dabei selbst wieder die Trauer um ihren früh verstorbenen Mann und ihre Jugendschwärmerei für einen jungen Soldaten. Auf Drängen der Tochter kommt sie auch wieder in Kontakt mit ihrem alten Verehrer aus Schultagen. In einigen Episoden spielt sie sich selbst als Kind.

OMA RAJA – Die alte Nachbarin, Rollenalter um die 60. Sehr warmherzig und hilfsbereit. Sie erzählt die tragischen Liebesgeschichten aus ihrer Jugend, von denen eine am politischen Engagement ihres Vaters scheiterte, die andere am Verrat ihrer Freundin, die sie nichtsdestotrotz bis an ihr Lebensende pflegt.
In anderen Episoden spielt sie noch folgende Personen:
– Frau Petrowa aus dem Ministerium
– Mamas Mutter in deren Kindheit

DIE FRAU – Rollenalter sehr unterschiedlich, von um die 15 als Lenas Freundin bis zur alten Sina im Rollstuhl. Sie spielt folgende Personen:
– Gitarrenlehrerin, älter und mollig
– Gymnastiktrainerin, jünger und schlanker
– Literaturlehrerin
– Mutter von Lenas Kindergartenfreundin, jung und nett
– Felix’ Frau Sonja, missmutig und eifersüchtig
– Oma Rajas Freundin Sina, in der Jugend im Krieg und im Alter im Rollstuhl
– zwei Nachbarinnen von Mamas Mutter
– Mamas Kollegin Tante Gala
– Lenas Schulfreundin

DER MANN – Rollenalter zwischen etwa 20 als Petja bis zu mittlerem Lebensalter. Er spielt folgende Personen:
– Freund der Gitarrenlehrerin
– Kameramann Felix, genialer Künstler mit Schwäche für Alkohol und Frauen
– General im II Weltkrieg an der Front. Pflichtbewusst, hilfsbereit.
– Petja, Mamas Jugendfreund. Hans-Dampf-in-allen-Gassen.
– Igor, Mamas Verehrer seit der Schulzeit. Hingebungsvoll, ruhig.

Der JUNGE MANN – Rollenalter zwischen etwa 16 als Mitschüler und Anfang bis Mitte 20 in den übrigen Rollen. Er spielt folgende Personen:
– Lenas Mitschüler und Schwarm Sergej
– Beleuchter Eugen
– Fahrer des Generals

Ausführliche Synopsis

1. Akt.
Lena, damals 10, möchte berühmt werden, damit ihr Leben einen Sinn hat. Sie spricht mit ihrer Mutter darüber und probiert verschiedene Wege zum Ruhm aus: Gitarrenunterricht, Rhythmische Sportgymnastik, eine Schauspielgruppe. Nichts davon liegt ihr, also nimmt sie an einem Schreibkurs in der Schule teil, obwohl sie mit der Lehrerin schlechte Erfahrungen gemacht hat.
„Wie ich meine Puppe verschenkte“
Als Kindergartenkind verschenkt Lena ihre Lieblingspuppe an ihre beste Freundin. Die hat Geburtstag, und Mama hat ihr eingeschärft, nur etwas zu verschenken, was ihr selbst lieb und teuer ist. Lena ringt mit sich, gibt die Puppe bei der Mutter der Freundin ab, holt sie wieder zurück, gibt sie dann endgültig weg und trauert über den Verlust.
„Kunst und Künstler“
Lena begleitet ihre Mutter ins Filmbüro. Dort schläft der hochbegabte Kameramann Felix seinen Rausch aus. Überraschend kommt eine Dame aus dem Ministerium zu Besuch, um Felix persönlich kennenzulernen. Mit Hilfe von Lena, Beleuchter Eugen und Felix’ eifersüchtiger Frau Sonja rettet Mama die Situation und damit den Ruf des Filmbüros und organisiert Felix’ anschließende Dienstreise.

Lena übt mit ihrem Mitschüler Sergej Verbände für den Talentwettbewerb. Es klappt nicht, und Tanzen muss sie ihm auch noch beibringen, sie kann es aber selbst nicht.

Lena soll den nächsten Aufsatz über eine von anderen gehörte Geschichte zum Thema „Selbstloser Dienst am Vaterland“ schreiben. Den Stoff dazu erfährt sie von Oma Raja, die ihr auch gleich Tipps zum effektvollen Gehen gibt.
Als Siebzehnjährige hatte Oma Raja sich mit ihrer Freundin Sina freiwillig zur Front gemeldet, wobei sie ihr Alter veränderte und verschwieg, dass ihr Vater ein Staatsfeind war. Als sie in einem Minenfeld Blumen pflückt, rettet ein General sie und verliebt sich in sie. Er reist kurz danach ab, beruft sie aber später in seinen Stab. Am Tag ihrer Abreise wird Raja unehrenhaft aus der Armee entlassen, weil Informationen über ihren Vater durchgesickert sind. Am nächsten Tag wird die zurückbleibende Sina bei einem Angriff schwer verletzt. Raja pflegt sie im Alter.

Lena wird Moderatorin bei dem Wettbewerb, was einige ihrer Probleme löst.

Sina eröffnet Raja, dass sie sie damals denunziert hat. Raja bringt ihr weiterhin Obst und Kleider.

2. Akt
Lena versucht mit ihrem Schwarm Sergej ins Gespräch zu kommen, aber er hat nur Sport im Kopf und interessiert sich überhaupt nicht für sie.

„Igor“
Lenas Vater ist früh gestorben, ihre Mutter trauert schweigend. Um sie aufzuheitern, fragt Lena sie nach ihrem Jugendfreund. Sie erzählt von Petja, einem Kadetten mit dem Kopf voller Streiche. Er hat dann eine andere geheiratet, weil sie seinen Heiratsantrag nicht bekam: Igor hatte ihn aus dem Briefkasten geklaut.
Igor wohnte im Nachbarhaus und liebte sie von früher Kindheit an, aber sie strafte ihn mit Verachtung. Lena versucht, die beiden wieder zusammenzubringen. In einem Telefongespräch tauschen sie viele gemeinsame Erinnerungen aus. Lena schafft es aber nicht, dass die beiden sich treffen. Sie fährt selbst zu Igors Haus, aber er öffnet ihr nicht.

„Wie ich Cyrano de Bergerac wurde“
Mama rät Lena, Sergej wissen zu lassen, was sie für ihn empfindet. Zur Zeit probt die Klasse für eine Gedichtlesung. So schreibt sie ihm ein Gedicht, das aber so leidenschaftlich ausfällt, dass sie es ohne Namen und in fremder Handschrift in sein Aufgabenbuch schmuggeln lässt. Er ist davon sehr beeindruckt, allerdings muss Lena feststellen, dass ein anderes Mädchen sich als die Verfasserin ausgibt und Sergejs Freundin wird.

Igor ist kürzlich an Krebs gestorben.

Lena ist betrübt und sieht ihre Zukunft grau in grau, aber im Gespräch mit ihrer Mutter findet sie wieder Kraft. Sie sieht ihre Zukunft als Sängerin und Songwriterin, und schreibt ein Lied über Sergej, der immer von Chicago geträumt hat. Wenn er in 20 Jahren noch gut aussieht und sie liebt, dann wird sie ihn auf einem Konzert wiedersehen. Wenn nicht, dann nicht, aber sie wird glücklich sein.
Zum Ausklang singt sie das Lied „Chicago“.

Pressestimmen

Auszüge aus einem Artikel von Valeri Petrowski im „teatralnyj westnik“ über die Kaliningrader Aufführung:

Man kann es heutzutage durchaus als Experiment bezeichnen, wenn auf einer russischen Bühne ein Stück aufgeführt wird, in dem keine Zoten und keine menschlichen Abgründe vorkommen, noch nicht einmal Sondereinsatzkommandos, die uns in Kino und TV so oft begegnen…. Stattdessen berichtet die jugendliche Erzählerin aus ihrem Leben, saugt Eindrücke aus ihrer Umgebung in sich auf, stellt sich und anderen die unerwartetsten Fragen und bekommt darauf ebenso unerwartete Antworten.

Da gibt es viel zu entdecken. Zum Beispiel all die Frauenbilder, die Julia Domasch (DIE FRAU und OMA RAJA) so talentiert darstellt. In jeder ihrer Personen finden sich so wundervolle Einzelheiten, die mal ein wohlwollendes Lachen hervorrufen, manchmal auch Tränen – es sind Menschen, das erkennen wir erst heute beim Hinsehen, die wir schon mal gesehen haben, denen wir begegnet sind, die wir kannten, an denen wir aber achtlos vorbei gegangen sind, weil wir uns nicht die Mühe machen wollten, in ihnen das zu entdecken, was diese Schauspielerin und die Hauptperson dieses Stücks in ihnen finden.
So durchlebt der Zuschauer während dieses Stücks ein ganzes Spektrum an Gefühlen – von begeisterter Leichtigkeit bis zu inspirierender Traurigkeit, auch leichte Verärgerung oder eine innere Reinigung dessen, was wir selbst in den tiefsten Winkeln unserer Seele und unserer Erinnerung versteckt halten.

Mutterrollen enthalten nicht immer „gutes Rollenmaterial“ und sind nicht immer leicht zu spielen, aber doch immer interessant. Jelena Motschalowa (MAMA) spielt interessant, sie spielt alles – ihr Schicksal, das so alltäglich und doch so besonders ist, ihre Liebe zu ihrem Jugendfreund und ihre Liebe zu ihrer Tochter.
Es war eine gute Idee, dass Swetlana Zygantschikowa (LENA) nicht ihr Rollenalter spielt, nicht bemüht kindlich spricht, sondern mit uns in einen Dialog unter Gleichen eintritt, uns neugierig macht und in unserer Seele Resonanz findet. Das ist ein großes Plus in dieser Aufführung ebenso wie in ihrer künstlerischen Entwicklung. Sie schultert die große Herausforderung, schon mit den ersten Worten einer Alltagsgeschichte bei den Zuschauern Interesse zu wecken. Dies gelingt ihr glänzend; wie eine kluge Dompteuse lockt sie uns hier mit einem jugendlichen Gefühlsausbruch, dort mit Humor, dann wieder mit Traurigkeit oder der Erkenntnis, dass wir früher einmal ebenso gehandelt und entschieden haben. Sogar in den „kindlichsten“ Episoden dieser Rolle, sagen wir beim „Verschenken der Puppe“, findet die Schauspielerin wundervoll ironische Untertöne und lässt uns trotzdem diese Geschichte als wahre Tragödie für die Kinderseele erleben. Alle Episoden der Hauptperson fügen sich in einem einheitlichen Erlebensraum zusammen, der übervoll ist mit Ereignissen, Gefühlen, Wendungen und Siegen über andere wie über sich selbst.
Der sportbegeisterte Mitschüler, der Filmschaffende, der General an der Front, der Kadett – all diese Rollen spielt Stanislaw Sapatschow in einem Atemzug, und, was bei diesem Schauspieler immer positiv auffällt, mit dem Eindruck, dass ihm dies alles ohne die geringste Mühe zufällt … Was ihn das kostet, weiß vermutlich nur er selbst …
Was Matwej Matwejew betrifft, so steigert sich seine Meisterschaft in der Darstellung des „kleinen Mannes“ mit jeder neuen Rolle. Die drei größeren Rollen, die er in diesem Stück verkörpert, sind „leibhaftige“ Menschen, bekannt und überraschend, berührend und tragikomisch, lustig und nicht besonders lustig …
Die beiden Männer im Stück spielen Schicksal, Schicksal und nochmals Schicksal … Zusammen mit den überraschenden Frauenfiguren ergibt sich so eine großartig gespielte Novelle über das Leben, in der wir, die Zuschauer, etwas finden können, über das wir uns freuen, etwas, das wir noch lernen können und sogar etwas, um das wir die dargestellten Personen beneiden werden.

Die Autorin Jelena Issajewa sagt zu der Selbstentblößung in ihren stark autobiographischen Stücken „Wie ich berühmt werden wollte“ und „Aljoscha aus der dritten Klasse“:
„In meinem Beruf gibt man immer etwas Persönliches von sich preis – es geht nicht anders. Sogar ein abstraktes Kunstwerk wie das „Schwarze Quadrat“ sagt sehr viel aus über den Menschen, der es geschaffen hat. In jedem Kunstwerk entblößt sich der Künstler selbst, mal mehr, mal weniger. Vielleicht wird das Publikum nie erfahren, wen du geliebt hast und wen du nicht ausstehen konntest, aber deine Sichtweise auf die Welt, deine Werte und Grundsätze, deine Schwächen und Stärken spiegeln sich unvermeidlich in deinem Werk wider. Selbst hinter noch so abstrakter Kunst kannst du dich als Mensch nicht verstecken.“

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