Der Kreisleiter | © Laurent Hamels | Cantus Theaterverlag
Theater / Drama

Der Kreisleiter

Eine postmortale Aufarbeitung

Autor: Klauspeter Bungert
Besetzung: Damen 7 / Herren 3
Dauer: 90–110 Min.

Cantus Empfehlung: Überraschendes, aus Gerichtsakten und Familienüberlieferung entwickeltes Porträt eines mittleren Nazifunktionärs und seiner Angehörigen - Vergangenheitsbewältigung, eingebettet in den Rahmen eines irrealen Tribunals. Eine bitterböse Satire, die den politischen Zustand der unreif gebliebenen Gedenkrepublik Deutschland aufspießt.

Wieder einmal möchte sich Herr Gott die Zeit vertreiben. Er arrangiert ein Tribunal. Betroffene eines politischen Gerichtsprozesses von 1947 treten darin auf. Der begabte, aber konfliktscheue Journalist Sven führt Protokoll und soll in seinem Online-Portal über den Fall berichten.


Ausstattung

Kleiner Gerichtssaal. Herr Gott sitzt erhöht, rechts neben sich Platz für Sven. Gegenüber: Einzelstuhl für den Angeklagten und, rechts von diesem aus gesehen, eine Stühlegruppe für die Zeugen. Hinter der breiten Fensterfront schweben, das Blaue des Himmels durchscheinen lassend, nahe Wolken.
Sowohl als Einakter wie als Zweiakter aufführbar.

Besetzungsliste

Hauptrollen

  • Herr Gott – nachsichtiger Zyniker, will nichts von seiner Allmacht wissen, reagiert aber pikiert, wenn man sie anficht; sportlicher Typ Mitte 50.
  • Sven – junger Journalist; immer auf der Seite des Angenehmen und Harmonischen; Kind der Spaßgesellschaft.
  • Bruno Anders – ein durch die Ereignisse eingeschüchterter, gebrochener Mann jenseits der 65, dessen vormals selbstgerechter Stolz in einigen Rückblenden aufscheint; in heiklen Situationen ein diplomatischer Schleimer.
  • Katharina Anders – 83; etwas herbe, aber herzensgute, mutig für ihre Kinder und später ihren kranken Mann eintretende, aufrechte, in bezug auf längerfristige Entwicklungen ängstliche Mutter und Frau. Lässt sich nicht verbiegen.

Die Töchter Anders und die Enkelin erscheinen nicht in ihren realen Altersverhältnissen, sondern nach Erfordernissen der Handlung:

  • Hildrud – 57, die älteste Tochter, trauert ihrer Zeit als BDM-Führerin nach, merkt aber, dass sie das nicht kommunizieren darf. Verdrängerin. Fühlt sich vom Leben betrogen. Flüchtet in geselliges Buhei. Trinkerin. Neidisch auf Lotte.
  • Lotte – Mitte 30, die mittlere. In Krisenzeiten mit ihren sportlichen Erfolgen Anker der Familie. Gerechtigkeitsliebend mit Hang zum Verklären und Ausblenden unangenehmer Tatsachen.
  • Monika – Anfang 30, als damaliges Kind zu Unrecht betroffen von der Sippenhaft, protestiert gegen Beschönigungen energisch. Geradlinig an der Wahrheit interessiert, schätzt die den Vater weder als ideologischen Laumann – wie Hiltrud – noch als Opfer – wie Lotte -, sondern als opportunistischen Parteigänger ein.
  • Silvi – Kind der ältesten Tochter. Liebt die Großeltern abgöttisch, die ihm ein positives Gegenbild vom Leben und ein gesundes Selbstwertgefühl vermitteln. Sonnenschein der Familie.

Nebenrollen

  • Zwei bezaubernde Assistentinnen – im Bikini. Mit ihrem Sexappeal erfreuen sie Herrn Gott und Sven, andere dagegen wenig. Nur eine von beiden hat eine Sprechrolle (erstes Mädchen).

Ausführliche Synopsis

Anders betritt den verändert erscheinenden Gerichtssaal. Er befürchtet eine Neuauflage seines Entnazifizierungsverfahrens. Herr Gott benutzt die Gelegenheit, ihn als Verfechter von Darwins gottfreier Evolutionstheorie zu foppen.

Anders‘ Frau tritt auf. Wiedersehen nach 60 Trennungsjahren. Katharina beschwert sich über das Geleit durch zwei Pin-up-Mädchen. Sven verteidigt in anbiedernder Sympathie die Gegenwart der wohlgestalten Geschöpfe als personifizierten Lobpreis auf Herrn Gottes Schöpfung.

Im Kanon verlesen die jüngeren Töchter und das Erste Mädchen den auf die Rückwand projizierten Anfang der Anklageschrift. Im Wechsel von Rede und Antwort, nachgestellten Rückblenden und provokanten Zwischenrufen der jüngsten Tochter werden Ursachen und Folgen von Anders‘ Verstrickung in das Braune Regime durchleuchtet.

Als letzte Leumundszeugin fleht Anders‘ elfjährige Enkelin Silvi das Gericht an, ihrem Opa nichts zuleide zu tun.

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