Vendetta - Eine Frage der Ehre | Cantus Verlag
Histotainment, Theater / Drama

Vendetta

Eine Frage der Ehre

Autor: Adam Adler
Besetzung: Damen 3 / Herren 6
Dauer: 90–110 Min.

Cantus Empfehlung: Eine historische Grundlage, die einen aktuellen Bezug wie die Vermessenheit und Habgier der Großmächte hervorruft. Für Zuschauer ab 17 Jahre geeignet.

Kurzbeschreibung

Napoleon verbringt seine letzten Tage auf der Verbannungsinsel St. Helena in einer monarchischen Scheinwelt und lässt sein Leben Revue passieren. Es geht um den Größenwahn und sein Ende.

Ausstattung

  • Ein Gesellschaftsraum aus napoleonischer Zeit. Einrichtung spätes Empire. Der Stil stellt Repräsentation, Wuchtigkeit, Würde und Reichtum zu Schau.
  • Küstenszene
  • Geräusche: Brandung, Möwengekreisch, Windgeheul

Besetzungsliste

  • Napoleon: egozentrisch, größenwahnsinnig, intelligent, Macho
  • Santini: intrigant, aber loyal gegenüber Napoleon
  • Cipriani: Servil
  • Flambeaut: ängstlich
  • Gourgaud: kritisch, distanziert, aber loyal gegenüber Napoleon
  • Madame Bertrand: Gegenspielerin Napoleons, kritisch bis schnippisch
  • Comte Bertrand: wohlwollend, zerstreut
  • Nymphchen: neugierig, plappernd
  • Rosenknospe: neugierig, plappernd

Ausführliche Synopsis

1. Akt

Spielt in einem Gesellschaftszimmer in britischem Kolonialstil napoleonischer Zeit (spätes Empire) auf St. Helena, Longwood House. N sitzt an einem Spieltischchen und legt die nach ihm benannte Patience (die „Kleine Napoleon“). Ebenfalls anwesend Mme Bertrand in einem Kleid wie Joséphine de Beauharnais und Gourgaud, seine Sekretär, in der Uniform eines Generaladjutanten.
Mme Bertrand ist die Frau von Henri-Gatien Comte Bertrand, ehedem General in Napoleons Armee und einer seiner engsten Vertrauen. Beide sind Napoleon (wie auch Gourgaud) in die Verbannung auf St. Helena gefolgt.
Man entspannt sich in einer bequemen Sitzgarnitur und nimmt ein Kaffeefrühstück ein. In einer Ecke ein Billardtisch.
Napoleon ärgert sich nach einer gewissen Zeit des Kartenlegens, dass die Patience nicht aufgeht und fegt die Karten wütend vom Tisch. Mme Bertrand rügt ihn wegen seines Jähzorns. Napoleon erklärt die Prophetie der Karten. „Die Karten lügen nie“
Sie diskutieren über Freiheit und Unfreiheit des Menschen. Napoleon erweist sich als Macho. Mme Bertrand stellt seine früheren Heldentaten gegen das traurige Jetzt.
Gourgaud erinnert an die Schlacht bei Aspern. Napoleon geht darauf ein.
Es geht um die hohen Verluste.
Mme Bertrand spricht über die Schrecken des Krieges. Wie kann man das vor Gott verantworten? Napoleon erklärt, es gebe keinen menschlichen Krieg. Krieg sei eine Kunst. Die Soldaten seien zum Totschießen da. Napoleon erinnert an Spinoza und seinen Gottesbegriff.
Höhepunkt: Napoleon fühlt sich als Gott (Größenwahn), eingesperrt in einen Käfig am Ende der Welt (St. Helena)
Gougaud lenkt ab und erinnert an die Schlacht bei Wagram.
Das bringt Napoleon auf die Ehe mit der Habsburgertochter Maria Louise, quasi sein Siegespreis, die ihn familiär in den Hochadel katapultiert. Napoleon beleuchtet seine Beziehung zu Maria Louise und zu Joséphine.
Mme Bertrand kritisiert Napoleons Verhältnis zu den Frauen.
Man spricht über Fouché, den Polizeiminister, Talleyrand, den Außenpolitiker, Metternich.
Ein Koch serviert petit-fours. Napoleon glaubt er hat Sand mit gebacken und entlässt den Koch in einem Wutanfall. Mme Bertrand verteidigt ihn.
Comte Bertrand schaut nur kurz herein, geht gleich wieder. Er muss sich um eine gerade gekaufte Kuh kümmern. Montholon aus dem „Hofstaat“ hat ein Baby bekommen. Napoleon würdigt seine Verdienste im Krieg. Mme Bertrand verspottet Napoleon. Der ergeht sich in Selbstmitleid und erinner an die großen Geister, die ihn bewundert haben: Beethoven, Hegel, Heine: „Ich war der Messias der Völkerbefreiung“. Napoleon: „Ich wollte eine Europäische Union.“
Napoleon schimpft über die Briten, kommt auf Waterloo zu sprechen. Da geht Mme Bertrand und überlässt Gougaud das Feld. Die Schlacht wurde auch durch Zufälle und das Wetter entschieden. Napoleon spricht auch über seine Fehler, den Russlandfeldzug. Der Krieg mit Zar Alexander war eine „Frage der Ehre“, in Wirklichkeit ein Machtspiel.

2. Akt

Bücherei in Longwoodhouse. N diktiert Gourgaud, der an einem Tischchen sitzt, stehend und mit am Rücken verschränkten Armen, ab und zu auf und ab gehend, seine Erinnerungen. Zwischendurch pfeift und singt der Kaiser die Marseillaise.
Napoleon schildert, dass er zweimal nach Indien vorstoßen wollte: das erste Mal über Ägypten und das zweite Mal über Russland.
Napoleon: „Alexander war ein ebenso guter Schauspieler wie ich. Wir wussten beide, dass alles nur Theater war:“
Napoleon diktiert seine Auffassung über den Russlandfeldzug, gibt Fehler zu.
Kälte und Hunger waren meine größten Feinde. „Durch ihre enorme Größe konnte die Armee, je länger der Marsch dauerte, desto schlechter versorgt werden“, bestätigt Gourgaud.
Napoleon über Borodino: Die blutigste Schlacht, die ich je erlebt habe. Die Grand Armée scheitert am brennenden Moskau und der Kriegstaktik der verbrannten Erde der Russen.
Gourgaud stellt die Schlüsselfrage: Wäre es nicht ohne diese enormen Menschenopfer gegangen?
Napoleon sagt zu Gourgaud „off record“: „Ich kannte kein Mitleid, kein Mitgefühl. Die Truppen sind dazu da, um sich totschießen zu lassen. Ohne Blut wird nicht Weltgeschichte geschrieben.“

Der Russlandfeldzug war ein Kampf auf Leben und Tod, das war Napoleon bewusst. Der Rückzug wird zur Katastrophe. Er verliert fast die ganze Armee. Das Logistikgenie Napoleon hat zum ersten Mal versagt.
Gourgaud kritisiert, dass Napoleon die Armee sich selbst überlassen habe. („Rette sich, wer kann!“)

Napoleons Antwort: Ich musste auf schnellstem Weg nach Paris, bevor sich meine Feinde zu meinem Sturz verbinden konnten.

Napoleons Prophezeiung: Die Russen werden die Weltherrschaft übernehmen, die er aber selbst beanspruchte. Er kritisiert die europäischen Monarchen und ihre adeligen Handlanger. Seine Kontroverse mit Metternich.

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig muss Napoleon abdanken. Erste Verbannung in Elba.
Napoleon erklärt seinen Selbstmordversuch mit Gift und schildert seine triumphale Rückkehr 1815.

3. Akt

Satyrspiel. Wieder im Zimmer wie im ersten Akt. N sitzt zunächst in einem bequemen Ohrenfauteuil, steht dann auf. Der Besuch von ortsansässigen Damen, von Rosenknospe (Miss Knirps) und Nymphchen (Miss Robinson) wird gemeldet. Es wird Champagner gereicht. Stehende Konversation.

Zunächst koketter Smalltalk. Dann beschwert sich Napoleon über den britischen Gouverneur Sir Hudson Lowe und seine Haftbedingungen. Die Damen stellen sich scheinbar auf seine Seite.

Schlüsselsatz Napoleons: „Ich werde auf dieser Insel wie ein Märtyrer sterben. Wie Jesus Christus am Kreuz. Wenn Christus nicht am Kreuz gestorben wäre, würde er nicht als Gott gelten!“ Wieder klingt das Motiv des Größenwahns an.

Amouröses Gespräch: Die Damen wollen alles über Napoleons Liebschaften wissen. Und Napoleon erzählt ihnen scheinbar bereitwillig, mit ihrer Lüsternheit spielend.

Die einzige „Affäre“, die ihn wirklich geliebt hat war Madame Duchâtel. Napoleon: „Ein Diamantenhalsband, das ich ihr schickte, kam postwendend zurück. Dennoch ließ ich ihr meine Liebesbriefe an sie abnehmen.“

(In Wirklichkeit hat Napoleon, wenn überhaupt, nur Joséphine geliebt.)

Heute, so Napoleon, könne er sexuell keine großen Sprünge mehr machen. Die Damen bedauern…

4. Akt

Zimmer wie im 1. und 3. Akt. Napoleon allein mit Santini, seinem Kammerdiener. Santini schenkt Napoleon stehend ein Glas Wein ein.

Santini stachelt Napoleon gegen den britischen Gouverneur auf: Sir Hudson Lowe nennt Napoleon „Buonaparte“ statt Bonaparte. Santini: „Eine Anspielung auf Ihre Herkunft aus Korsika, um perfide anzudeuten, dass Sie gar kein echter Franzose sind.“

Napoleon steigt darauf ein. Wütend (Grundmotiv!) beschwert er sich darüber, dass seine Post überwacht wird: „Es ist eine Infamie meine Post zu überwachen! Ich bin vom Papst gesalbt! Die Kaiserkrone habe ich mir und Joséphine selbst aufs Haupt gesetzt. Ich wollte, dass der Papst von Rom nach Paris übersiedelt, ins neue Rom.“ Das Motiv des Größenwahns ist angesprochen.
Santini: „Es ist alles eine Frage der Ehre!“ Das mafiöse Grundmotiv.
Napoleon: Nach Corneilles „Cid“ steht die Ehre über allem. Der Kaiser erinnert sich an seine Gespräche mit Sir Hudson Lowe.

Napoleon und Santini unterhalten sich über die Schikanen des Gouverneurs.
Schließlich ist Napoleon so weit, dass er Santine von seinem Plan, eine „Vendetta“, eine Blutracheaktion, gegen den Gouverneur zu starten.

Schlüsselsatz von Santini: „Dieser Gouverneur muss für seine Verbrechen an Ihnen, für seine Ehrverletzungen büßen! Wir sind auf dieser Insel eine Familie. Und die Familienehre muss wiederhergestellt werden.“

5. Akt

Szene am Meer, Steilufer, unendlicher Horizont. Es dämmert und die ersten Sterne blicken herab. Wind, Möwen Gekreische, Rauschen der Brandung, Projektion eines Geisterschiffs a la Fliegender Holländer. Neben Napoleon eine dunkle Gestalt mit Dreispitz, die dem Publikum nie das Gesicht zuwendet.

Monolog Napoleons: Das Spiel ist aus: Die Briten haben von der Vendetta Santinis Wind bekommen. Sie werden ihn mit dem nächsten Schiff nach Europa bringen und einkerkern.

Napoleon: „Der Fliegende Holländer wartet schon auf mich, draußen auf dem Meer. So geht also mein stolzes Leben auf dieser erbärmlichen Insel zu Ende. Ich bedaure nicht, dass das Affentheater endlich zu Ende geht.“

Napoleon weiß schon, dass er Magenkrebs hat, dass es bald zu Ende geht. Er bastelt schon an seiner Apotheose: „Ich werde auf dieser Insel als Märtyrer in die Unsterblichkeit eingehen. Als die mythische Gestalt des ewigen Helden. Heroisch und ruhmreich auch im widrigen Geschick! Nicht im Gewölk meiner Allmacht, sondern in unverhüllter Nacktheit. Wie Alexander und Cäsar werde ich eingehen ins Gedächtnis der Menschheit – als Heroe, nicht als Menschenschlächter, als Mörder von Millionen und Tyrann! Ich werde eingehen in die Geschichte als Mysterium, als Lichtbringer, als Messias!“ Wieder das Größenwahn-Motiv.

Napoleon denkt noch einmal über die Grundzüge seiner Philosophie nach.
„Ich war Napoleon der Große. Ich wollte Gott sein. Und ich war Gott! Was ist davon geblieben? Das Chaos. Das Scheitern an diesem Felsen. Ich habe Millionen in den Tod gerissen. Aber hätte ich es verhindern können? Wäre es nicht Napoleon gewesen, hätte ein anderer das Mühlrad gedreht!“

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