
Wer die Geschichte schreibt
Vier Szenen mit Musik über die Kindertransporte von Deutschland nach England während des Zeitraums 1938/39
Autor: Christiane Grashof-Charlton, Annemarie Kistemann-GrashofMusik: Stefan Lindner
Instrumentierung: Band, Playback, Chor
Dauer: abendfüllend
UA: 09.07.2015 in St Anne’s Catholic School, Southampton, UK
DE: 01. und 02.11.2015 in Berlin, Humboldt-Universität
Cantus Empfehlung: Historischer Bezug:
Das Musiktheaterstück umfasst eine kurze Darstellung der Aktion „Refugee Children Movement“, durch die während des Zeitraumes 2. Dezember 1938 bis 1. September 1939 etwa 10.000 jüdische Kinder vor dem Zugriff der Nationalsozialisten gerettet wurden.
Kurzbeschreibung
Im Fokus des Geschehens stehen drei Geschwister, deren Eltern nach den Novemberpogromen keinen anderen Ausweg zur Rettung ihrer Kinder mehr sehen, als sie einem der von England aus organisierten Transporte anzuvertrauen. Begleitet werden die drei Geschwister von Mary, einer jungen Britin, die zu den vielen freiwilligen Helfern gezählt werden darf, ohne die dergleichen Unternehmungen nicht stattfinden konnten und können.
Das Stück beschreibt die zunehmend bedrückende Lage in Deutschland, den Abschied der Kinder von Vater und Mutter unter dem schikanösen Reglement eines deutschen Uniformierten, ihre Reise auf dem Schiff, die geprägt ist von Sorgen um die daheim
Gebliebenen, von Angst, von Unbehagen einerseits und andererseits von dem ermutigenden Zuspruch Marys, während Hoffnungen und Wünsche der Eltern die Geschwister begleiten.
Die letzte Szene zeigt, dass die Aufnahme der Kinder am Zielort seinerzeit nicht immer selbstverständlich und uneingeschränkt erfolgte, sondern oft verbunden war mitbestimmten Vorstellungen und Bedingungen der Gasteltern. Gleichzeitig soll aber auch deutlich werden, dass es immer wieder Menschen gab, die sich voller Idealismus dafür engagierten, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln den verstörten und verängstigten Opfern – in diesem Fall den drei Kindern – den Schmerz über den erlebten Heimatverlust zu erleichtern.
Die einzelnen Szenen werden umrahmt durch einen Chronisten, der einen informierenden Überblick über die geschichtlichen Zusammenhänge gibt.
Die musikalischen Partien enthalten den Versuch, Gedanken und Gefühle der Betroffenen auf eine Ebene zu übertragen, die für denjenigen, der sich mit der Thematik befasst größere Unmittelbarkeit bei gleichzeitiger Distanz ermöglicht.
Inhaltliches Anliegen des Stückes ist es unter anderem, die Aufmerksamkeit auf jene Menschen zu lenken, die – wie Mary – ohne großes Aufhebens und mit kleiner Geste zur rechten Zeit das Richtige tun.
Besetzung/Rollen/Charakter
- Chronist
- Kinder: Simon, Sarah, Rebecca
- Vater und Mutter der Kinder
- ein deutscher Uniformierter
- Mary, eine junge Engländerin
- George, ihr Mann
- eine Dame, ein Paar, ein Mann (mögliche Gasteltern)
- ein Chor
Ausführliche Synopsis
Die Idee zu dem Projekt stammt von Christiane Grashof-Charlton, Leiterin eines Jugendorchesters in Southampton. Schülerinnen und Schüler aus England und Deutschland sollten zu einer gemeinsamen Reflexion eines dunklen Abschnittes der Geschichte beider Länder geführt werden.
Die Uraufführung fand am 09.07.2015 in St Anne’s Catholic School, Southampton, in Gegenwart eines Zeitzeugen statt. Weitere Aufführungen erfolgten am 01. und 02.11.2015 in Berlin im Bunsen-Saal der Humboldt-Universität. Ausführende waren jeweils Schüler*innen des Anne-Frank-Gymnasiums Berlin und Mitglieder*innen des Jugendorchesters Southampton unter der Leitung von Annemarie Kistemann-Grashof, Christiane Grashof-Charlton und Stefan Lindner statt.
Ein übergeordnetes Ziel des Projektes bestand darin, die Erkenntnisse und Erfahrungen, die während der Auseinandersetzung mit dem Thema „Kindertransporte“ gewonnen wurden, in einen aktiv-konstruktiven Umgang mit aktuellen Problemen zu überführen, insbesondere hinsichtlich der weltweit zunehmenden Problematik von Flüchtlingen, ihren Lebenskontexten und Perspektiven.